„Solarpaket 1“ ist auf dem Weg: Was wird sich ändern?
In Deutschland sollen bis 2030 beeindruckende 215 Gigawatt an PV-Leistung installiert sein, was einem dreifachen Anstieg im jährlichen Zubau gleichkommt: von 7,5 Gigawatt im Jahr 2022 auf 22 Gigawatt im Jahr 2026. Die neueste Errungenschaft auf diesem Weg ist das bahnbrechende Solarpaket, das am 16.08.2023 im Kabinett verabschiedet wurde. Dieses Gesetzespaket fußt auf intensiven Konsultationen mit der Branche und spiegelt die Kernelemente der Photovoltaikstrategie wider, die vom BMWK im Mai 2023 vorgestellt wurden. Das Solarpaket 1 ist erst der Beginn von zwei geplanten Solarpaketen, die den Ausbau der Photovoltaik in Deutschland beschleunigen sollen. Im Mittelpunkt steht die Unterstützung bahnbrechender Solarprojekte, die Reduzierung bürokratischer, wirtschaftlicher und technologischer Hindernisse sowie die Stärkung der Bürgerbeteiligung an der Energiewende. In diesem Beitrag erläutern stellen wir die Einzelheiten dieser wegweisenden Maßnahmen genauer vor.
Beseitigung bürokratischer Hürden
Besonderes Augenmerk des Solarpakets liegt auf der Beseitigung bürokratischer Hürder. Für Gewerbedächer bedeutet dies Folgendes: Die Pflicht zur Direktvermarktung wird flexibler gestaltet, insbesondere ab einer Anlagenleistung von 100 kW. Zudem wird der Grenzwert für das Anlagenzertifikat von bisher 135 kW auf 270 kW Einspeiseleistung erhöht und gleichzeitig die Zusammenfassung von Anlagen auf den Netzanschluss begrenzt. Für kleine, nicht gewerbliche PV-Anlagen wird der Netzanschluss beschleunigt, begleitet von einer Senkung der technischen Anforderungen für die Direktvermarktung. Die Förderung von PV-Anlagen auf bereits bestehenden Gebäuden wird ermöglicht, ebenso wie das sogenannte „Repowering“ – eine umfassende Erneuerung von Aufdachanlagen.
Innovative Schritte für den Ausbau der Photovoltaik auf Freiflächen
Insbesondere zielt das Solarpaket darauf ab, die Nutzung von landwirtschaftlichen Flächen in benachteiligten Gebieten für Solaranlagen zu ermöglichen, wodurch neue Einkommensmöglichkeiten für Landwirte geschaffen werden. Ein ausgewogener Kompromiss wird durch die Festlegung einer Begrenzung gewährleistet: Sobald ein Prozent der landwirtschaftlichen Flächen eines Bundeslandes für Solaranlagen genutzt wird, kann die Nutzung weiterer Flächen für Solarprojekte gestoppt werden.
Um das Potential der Flächennutzung bestmöglich auszuschöpfen, wird ein eigenes Ausschreibungssegment für besonders effiziente Doppelnutzungen von Flächen eingeführt, darunter Agri-PV, Parkplatz-PV, Floating-PV und Moor-PV. Zudem wird die Kategorie „Biodiversitäts-PV“ eingeführt, um den Naturschutz zu stärken und Maßnahmen für den Naturschutz im Zusammenhang mit Agri-PV-Anlagen zu fördern. Das BMWK setzt auch auf eine erweiterte Flächenkulisse, um Projekten auf benachteiligten landwirtschaftlichen Flächen eine Teilnahme an Ausschreibungen zu ermöglichen. Während die Obergrenze für Solaranlagen auf Landwirtschaftsflächen bis 2030 bei 80 Gigawatt liegen soll, wird festgeschrieben, dass mindestens die Hälfte der zusätzlich errichteten Leistung auf Dächern oder Lärmschutzwänden platziert werden muss.
Darüber hinaus sind bedeutende Änderungen für die Photovoltaik-Freiflächenanlagen geplant. Hierbei steht die Erweiterung der Flächenkulisse im Vordergrund, wodurch die Nutzung landwirtschaftlicher Flächen in benachteiligten Gebieten generell für den Bau von Photovoltaik-Freiflächenanlagen zugelassen wird. Bundesländer erhalten die Option, dies einzuschränken, und können bestimmte „weiche“ Schutzgebiete in den benachteiligten Gebieten ausschließen. Die bisherige Regelung, dass Bundesländer die Nutzung explizit freigeben müssen, wird umgedreht. Des Weiteren wird definiert, dass Länder Flächen für weitere Anlagen schließen können, sobald ein Prozent der landwirtschaftlichen Flächen mit Photovoltaik-Anlagen belegt ist. Auch die Förderung von Agri-Photovoltaik-Anlagen erhält besondere Aufmerksamkeit, indem Boni für extensivere Anlagen eingeführt werden, die Kriterien zur Extensivierung erfüllen können. Ein eigenes Ausschreibungssegment für diese speziellen Solaranlagen sowie für Floating- und Parkplatz-Anlagen soll die Innovationsförderung auf Freiflächen vorantreiben. Insgesamt sieht das „Solarpaket 1“ die Beschleunigung des Netzanschlusses für Freiflächenanlagen vor und beinhaltet auch das Recht zur Verlegung von Anschlussleitungen auf Grundstücken und Verkehrswegen, um die Entwicklung erneuerbarer Energien zu erleichtern.
Stärkung des Ausbaus von PV-Anlagen auf Gewerbedächern
Die Direktvermarktungspflicht für Anlagen mit einer Leistung von über 100 kW wird flexibilisiert. Anlagen mit hohem Eigenverbrauch produzieren oftmals so geringe Strommengen für die Einspeisung, dass die Kosten der Direktvermarktung die Erlöse übersteigen. Dies führte dazu, dass Anlagen kleiner dimensioniert wurden. Eine zukunftsorientierte Lösung wird durch die Einführung der „unentgeltlichen Abnahme“ für bestimmte Anlagenbetreiber geschaffen. Hierbei können Betreiber, die bisher der Direktvermarktungspflicht unterlagen, ihre Überschussmengen ohne Vergütung an den Netzbetreiber weitergeben – jedoch auch ohne die Kosten der Direktvermarktung tragen zu müssen.
Zudem werden die Grenzwerte für Anlagenzertifikate angehoben: Zukünftig wird ein Anlagenzertifikat erst ab einer Einspeiseleistung von 270 kW oder einer installierten Leistung von mehr als 500 kW erforderlich sein, im Gegensatz zu bisherigen 135 kW. Unterhalb dieser Schwelle wird ein einfacher Nachweis über Einheitenzertifikate ausreichen. Das Verfahren wird dabei massentauglich gestaltet und die erforderliche Datenbank für Einheitenzertifikate wird im Solarpaket gesetzlich verankert. Diese Regelungen ergänzen bereits laufende gesetzgeberische Verfahren zur Vereinfachung der notwendigen Anlagenzertifikate.
Eine weitere Vereinfachung erfolgt in Bezug auf die Anlagenzusammenfassung. Bestehende Regelungen führten bei Aufdach-PV in bestimmten Fällen zu ungeeigneten Ergebnissen, insbesondere bei gewerblich genutzten Gebäuden. Deshalb wird für diese Anlagen nun einheitlich auf den Netzverknüpfungspunkt abgestellt. Diese Neuausrichtung gewährleistet unter anderem, dass die messtechnische Ausstattung der PV-Anlage allein an der individuellen Anlage ausgerichtet ist.
Bürgerbeteiligung und vereinfachte Stromerzeugung aus der Sonne
Ein besonderes Augenmerk wird auf die Entbürokratisierung von Balkon-PV-Anlagen gelegt. Die Inbetriebnahme dieser Anlagen soll so reibungslos wie möglich ablaufen. Dies bedeutet, dass die vorherige Anmeldung beim Netzbetreiber entfällt und die Eintragung im Marktstammdatenregister auf wenige und einfach einzugebende Informationen beschränkt wird. Um den Prozess nicht zu verkomplizieren, wird die Installation eines geeichten Zweirichtungszählers vorerst nicht erforderlich sein, und bis zu dessen Einbau werden rückwärtsdrehende Zähler akzeptiert. Darüber hinaus wird danach gestrebt, Balkon-PV-Anlagen über den Schukostecker anzuschließen. Hierbei wird die „Steckerfrage“ nicht gesetzlich, sondern durch technische Normen geregelt, die derzeit durch den VDE (genauer DKE) überarbeitet werden. Um sicherzustellen, dass Balkon-PV-Anlagen beispielsweise in einem Mehrfamilienhaus mit einer Aufdach-PV-Anlage nicht zu einer Überschreitung von Schwellenwerten führen, wird eine Ausnahmeregelung in Bezug auf die Anlagenzusammenfassung eingeführt.
Die Vereinfachung und Förderung von Mieterstrom wird erweitert und nun auch auf gewerblichen Gebäuden und Nebenanlagen wie Garagen ermöglicht, vorausgesetzt, der Stromverbrauch erfolgt ohne Netzdurchleitung. Diese Erweiterung schafft neue Anwendungsbereiche und reduziert den bürokratischen Aufwand bei der Prüfung des Förderanspruchs durch den Verteilnetzbetreiber. Gleichzeitig werden durch die bereits erwähnte Vereinfachung der Regelungen zur Anlagenzusammenfassung übermäßige technische Anforderungen an Mieterstromsolaranlagen vermieden.
Ein weiteres Element ist die Einführung des Modells der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung. Dieses Modell ermöglicht eine unkomplizierte Stromversorgung innerhalb eines Gebäudes. Dabei werden Betreiber von PV-Anlagen weitgehend von Lieferantenpflichten befreit, was die Weitergabe von PV-Strom an Mietende, Wohnungseigentümer oder Gewerbetreibende erleichtert. Eine zusätzliche Förderung der innerhalb dieses Modells genutzten Strommengen ist im Gegensatz zum eigenständigen Mieterstrommodell nicht vorgesehen. Die Einspeisung von Überschussstrom ins Netz wird weiterhin gemäß EEG vergütet.
Darüber hinaus sollen mit dem Beschluss des Solarpakets folgende Aspekte gefördert werden:
- Netzanschlüsse beschleunigen: Das vereinfachte Netzanschlussverfahren wird auf Anlagen bis 30 kW ausgeweitet, um den Anschluss von kleinen Photovoltaikanlagen effizienter zu gestalten.
- Direktvermarktung vereinfachen: Die Vorgaben zur technischen Ausstattung kleinerer Anlagen bis 25 kW in der Direktvermarktung werden gelockert, um die Option der Direktvermarktung für kleinere PV-Anlagen kostengünstiger zu machen.
- Förderung für Gebäude im Außenbereich: Die Möglichkeit zur Förderung von Anlagen auf Gebäuden im Außenbereich wird erweitert, wodurch bestehende Gebäude kostendeckend mit PV ausgestattet werden können.
- Repowering von Aufdach-PV: Regelungen für umfangreiche Erneuerungen von Dachanlagen werden verbessert, um den Einsatz effizienterer Module zu ermöglichen und Repowering-Maßnahmen zu fördern.
- Entschärfung von Pönalen: Anlagenbetreibern wird bei technischen Defekten Zeit zur Fehlerbehebung gewährt, um unnötige Pönalen zu vermeiden.
Das Solarpaket, das eine Reihe wegweisender Maßnahmen zur Förderung und Vereinfachung der Solarenergie umfasst, markiert einen bedeutenden Schritt auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Energiezukunft. Mit einem klaren Fokus auf Bürgerbeteiligung, technische Innovation und bürokratische Entlastung werden die Hürden für den Ausbau von Photovoltaik-Anlagen spürbar gesenkt. Es zeigt auf, dass die Förderung erneuerbarer Energien nicht nur eine Frage der Umweltverträglichkeit ist, sondern auch eine Frage der Zugänglichkeit und der Ermächtigung jedes Einzelnen.